Herr Heiler, greifen Künstler und Designer auf die gleiche kreative Quelle zurück?
Das ist eine Frage, über die es sich lohnt, genauer nachzudenken. Ich glaube, es kommt sehr darauf an, auf welche Vergleichsebene man sich begibt. Wenn man davon ausgeht, dass sowohl für die Kunst als auch für das Design kreatives Denken erforderlich ist, dann würde ich sagen: ja, da gibt es noch einen gemeinsamen Nenner. Vielleicht auch beim Handwerkszeug, das einem Designer oder einem Künstler hilft, seine Vorstellungen zu visualisieren. Aber dann driften die Bereiche, aufgrund der Natur der Aufgabenstellung auch schon ziemlich schnell auseinander. Während ein Designer im Grunde ein ästhetisch denkender Problemlöser ist und Design, zumindest nach unserem Verständnis hier bei Porsche Design, niemals nur Optik, nur Emotion, nur Aussehen oder nur Hülle ist, sondern immer die gesamte, also auch funktional-technische Kreation eines Produkts umfasst, löst sich die Kunst vom Zweck. Und hier unterscheidet sich Design natürlich gravierend von der Kunst. Während der Designer als Problemlöser verstanden wird, ist der Künstler doch oft ein Problemaufzeiger, einer der gezielt provoziert, um auf bestimmte Themen hinzudeuten, einer, der seine Position klar macht. Kunst hat unterm Strich eine höhere politische Komponente als Design.
Hat das Ästhetische nicht auch seinen Platz in der Kunst?
Aber natürlich. Beispiele dafür gibt es viele. Aber häufig liegt der Focus auch auf gesellschaftlich relevanten Themen. Zumindest, wenn man sich die Documenta anschaut. Das Politische, das Gesellschaftliche, das sind Bereiche, die Design, wenn überhaupt, nur minimal berührt.
Spielen zeichnerische Fähigkeiten heute noch eine Rolle beim Design?
Ja. Ich liebe es, das Medium Zeichnen so einzusetzen, dass es einerseits ein gegenständliches Objekt zeigt, dann aber, über den Strich, den brush stroke, eine ganz andere Qualität in die Darstellung hineinkommt, als wenn man einfach nur versuchen würde, ein fotorealistisches Bild darzustellen. Beim Zeichnen oder Malen kann ich etwas erreichen, was mit einem Foto nicht erzielbar ist. Und was ich ganz fantastisch finde, besonders bei den alten Meistern, ist der Umgang mit Licht. Man kann so unglaubliche Lichtstimmungen schaffen, die die Wirklichkeit überzeichnen und dramatisieren.
Das Licht spielt natürlich auch bei der fotografischen Darstellung von Designobjekten eine große Rolle.
Licht ist in jedem Fall wichtig. Gutes Licht macht die Form erst sichtbar.
Porsche Design steht für eine Designposition, nach der sich die Form eines Produktes fast wie von selbst aus der Funktion herleitet. So formulierte es der Gründer F. A. Porsche. In welcher Design-Tradition steht Porsche Design?
Wenn es so etwas wie ein deutsches Designverständnis gibt, dann gehört Porsche Design sicher zu den Repräsentanten dieser Haltung. Das Bauhaus markierte historisch den Anfang des deutschen Designs. Später war die Hochschule für Gestaltung in Ulm mit Designern wie Max Bill und Otl Aicher prägend. In der Folgezeit gab es einige bedeutende Designer, die diese Auffassung mit Inhalt füllten. Dieter Rams spielt da eine wichtige Rolle. Mit dem, was er für Braun geleistet hat, war er letztlich auch das Vorbild für Apple-Designer Jonathan Ive. Steve Jobs hat sich bewusst auf dieses von Rams geprägte deutsche Design-Verständnis bezogen, mit seiner Zeitlosigkeit, Einfachheit und Schlichtheit. Überragend war natürlich auch Richard Sapper. Das waren alles Leute, die Epochales geschaffen haben. Die sind Vorbilder für uns, Designer, denen wir uns bei Porsche Design und beim Studio F. A. Porsche geistig verbunden fühlen, weil wir verstehen, warum sie die Dinge so gemacht haben, wie sie es taten. Unsere Design-Haltung speist sich aus den gleichen Prinzipien. Im Gegensatz zu Design-Studios, die sich ausschließlich auf die ästhetischen Welten ihrer Kunden einlassen, kommen Auftraggeber eben wegen unserer klaren Design-Position auf uns zu. Wir stehen für den Gegenentwurf zu dekorativem Design, wir stehen für eine zeitlose Formsprache. Das heißt auch, dass wir modische Trends nicht kommerziell ausbeuten, sondern unserer Haltung treu bleiben. Manchmal gelingt es uns sogar, selbst Trends zu setzen. Dafür gibt es ja einige Beispiele aus der Vergangenheit…